Jahrzehntelang wurde Brandenburg mit Neonazis, No-go-areas und der Gefahr rechter Gewalt assoziiert. Nach der Einleitung umfassender Maßnahmen im Rahmen des „Handlungskonzeptes Tolerantes Brandenburg“ hat das Land sein Image verändert und gilt heute, mit seinem sogenannten „Brandenburger Weg“, als Vorreiter im Kampf gegen Rechtsextremismus.
Im November 2013 wurde zudem die Brandenburger Verfassung geändert. Mit der sogenannten „Antirassismusnovelle“ wurde der Begriff „Rasse“ aus der Verfassung gestrichen und Rassismus als Diskriminierungsgrund aufgenommen. Das Land Brandenburg erklärt damit den Schutz vor Rassismus zum Staatsziel. Das ist ein Novum.
Nun stellt sich die Frage: Ist das der Endpunkt oder der Anfang einer glorreichen Entwicklung im Land? Und wie ist es tatsächlich um den Umgang Brandenburgs mit dem Thema Rassismus bestellt?
Aktuell ist allerorts die Rede von einer anzustrebenden „Willkommenskultur“, die Brandenburg für Migrant_innen attraktiver machen soll. Die Arbeitserfahrung der Antidiskriminierungsberatung Brandenburg indes ist die, dass Flüchtlinge, Migrant_innen und Menschen mit Migrationshintergrund im Land massiven und alle Lebensbereiche durchziehenden tagtäglichen Rassismus- und Diskriminierungserfahrungen ausgesetzt sind. Brandenburg ist für migrantische Menschen nicht attraktiv.
Rassismus grassiert indes nicht nur bei Rechtsextremist_innen, sondern geht von gesellschaftlichen Strukturen, Institutionen und den Menschen in der Mitte der Gesellschaft aus. Die davon Betroffenen erleben Diskriminierung in nahezu allen Lebensbereichen, wie z.B. in den Bereichen Wohnungsmarkt, Arbeitsmarkt, Bildung, Sport/Freizeit, Gesundheitswesen, Güter/Dienstleitungen, Behörden, in sozialen Einrichtungen. Und es gibt viele Fälle von rassistischen Beleidigungen im öffentlichen Raum.
Das Engagement gegen Rechtsextremismus kann dieses Phänomen nicht bekämpfen. Hier sehen wir noch keinen „Brandenburger Weg“. Die Antirassismusnovelle war ein sehr wichtiges Signal, dass Brandenburg anerkennt, dass ein Problem mit Rassismus existiert. Dieses Signal müssen jetzt alle gesellschaftlichen Akteur_innen, übernehmen und eine wirksame Antidiskriminierungspolitik auf den Weg bringen, die auf den folgenden 2 Säulen fußt:
Säule 1) Strukturelle Maßnahmen gegen Diskriminierung
a) eine umfassend ausgestattete Landesantidiskriminierungsstelle, die als brandenburgweite Beschwerdestelle fungiert, die gemeinsam mit der Integrationsbeauftragten des Landes Maßnahmen gegen Diskriminierung initiiert, deren Erfolg kontrolliert und darüber regelmäßig die Öffentlichkeit informiert. Die Regelmäßige Analysen vornimmt. Außerdem sollte sie Ratsuchende an Beratungsstrukturen verweisen und Aufklärungskampagnen zum Thema Antidiskriminierung organisieren. Die Öffentlichkeit muss darüber informiert werden, dass rassistische Beleidigungen und Diskriminierung verboten ist und was die Rechte von Betroffenen sind.
b) Ein Landes-Antidiskriminierungsgesetz: Wenn es zu Diskriminierung durch staatliche Stellen kommt, bietet das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) keinen Schutz. Ein LADG würde Schutzlücken für den Zuständigkeitsbereich des Landes schließen. Ein LADG würde die öffentliche Hand zu diskriminierungsfreiem Verhalten verpflichten. Adressat_innen eines LADG wären nicht primär die Diskriminierten oder die Diskriminierenden, sondern Diejenigen, die aufgrund ihrer institutionellen Stellung in der Lage sind, Strukturen zu beeinflussen. Dies würde bei der Verhinderung von Diskriminierung und der Förderung einer Kultur der Wertschätzung von Vielfalt beginnen. Auch darin enthalten wären sog. „Positive Maßnahmen“, also Diversity-Folgenabschätzungen bei allen politischen, normgebenden und verwaltenden Maßnahmen sowie die Berücksichtigung von Diversity-Kompetenzen im Rahmen von Einstellungen und Beförderungen. Auf diese Weise würden Strukturen und Machtverhältnisse aufgebrochen werden, die zur Unterrepräsentanz bestimmter Gruppen und zur einseitigen Ausrichtung von Angeboten an bestimmte Gruppen führen. Aber auch private Unternehmen und Organisationen, die öffentliche Aufträge durchführen, würden zu positiven Maßnahmen verpflichtet werden.
c) Mehr Repräsentanz von Migrant_innen und Menschen mit Migrationshintergrund in der Verwaltung, Wirtschaft und Gesellschaft.
Säule 2) Unterstützung der von Diskriminierung Betroffenen
Für die Unterstützung von Diskriminierung Betroffener muss es eine adäquat ausgestattete unabhängige spezialisierte Stelle geben, die nach den Qualitätsstandards des advd arbeitet, die Betroffenen parteilich unterstützt und ihnen zur Durchsetzung ihres Rechts auf Gleichbehandlung verhilft.
Wir fordern eine mutige Politik, die diese Maßnahmen einleitet und damit einmal mehr eine bundesweite Vorbildfunktion einnimmt – diesmal im Kampf gegen Rassismus und Diskriminierung – und sich damit auf den Weg in eine chancengleiche Brandenburger Gesellschaft macht. Das würde Brandenburg auch für Flüchtlinge, Migrant_innen und Menschen mit Migrationshintergrund attraktiv machen.